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Ernst Petras – talking about nothing
Der Künstler Ernst Petras umbaut nach eigener Aussage das Nichts mit Metallen. Gemeint ist der künstlerische Arbeitsprozess, die Entstehung von Skulpturen auf der Basis einer Idee, in deren physischer Mitte eine Leere herrscht, umgeben von irdischer Atmosphäre und begrenzt durch Stahl. Der Entstehungsprozess künstlerischer Werke, oft als schöpferischer Akt beschrieben, scheint seit Ewigkeiten dem göttlichen Formen und Einhauchen von Leben entlehnt, der metaphysischen Verwandlung des Materials. Wie bei natürlichen Wachstumsprozessen denkt sich das Geschehen von der Mitte her, vom Krümel zum Koloss, vom Kern zum Baum, die expandierende Form. Die Idee, bei einer Skulptur an ihr Innerstes zu denken, kommt uns nicht. Ernst Petras kommt sie zuerst.
Ausgehend von Zeichnungen und Notizen ordnet er den skulpturalen Gedanken bis an seine Außengrenze, bis an seine Haut. An dieser Außengrenze befestigt er die Rüstung seiner Ideen, die sich fortwährend im Medium des Innern aufbewahren. Das Auftrennen und Einschneiden dieser Haut, das Öffnen der Verborgenen Form durch wieder expandierende Segmentierungen konfrontiert den Betrachter mit dem gleichzeitigen Auftreten von Material und Innenleben, dem geformten „Nichts“. Die Atemzüge zwischen den Worten, das Weiß zwischen den Buchstaben ist diesem Nichts verwandt, es trägt Sinn und Gestalt an der Grenze zur Leere, unserer deutlichsten und allgegenwärtigen Nachbarschaft im Denkgebäude.
Petras beruft sich in seiner Arbeit auf die initiale Entdeckung des Quadrates, als Basis seiner Ordnung, seine Reaktion auf die Erfahrung des lebendigen Chaos. Er beschreibt das Quadrat als Symbol für Ordnung und seiner Idee des Männlichen Prinzips, das er in Gedanken der Kugel, Idee des Weiblichen, entgegenstellt. In diese persönliche Weltordnung stellt Petras skulpturale Gebilde und durchmisst darin für sich das System seiner Pläne und Ideen. Eine der jüngsten Entdeckungen von Petras ist das geneigte Quadrat im gleichfalls dem Nichts nahen Weltsymbol des Hashtags. Vier Linien, vier Richtungen ohne Gewicht, geben jedem Begriff, jeder Kette aus Zeichen einen Platz im Kosmos unserer digitalen Gegenwart. Der Künstler findet nun dieses weltordnende Kürzel wieder im Geflecht von Baumatten aus Stahl, den weltweit gleichen Skeletten zeitgenössischen Bauens in Beton, der Bewährung. Der Künstler befreit nun für uns diese Elemente aus ihrem weltlichen Kontext, der körperlichen Helix späteren Bauens, schneidet seine Elementarformen frei und beginnt aufs Neue mit ihnen zu buchstabieren. Willkommen in der Welt des Ernst Petras.
Frank Diersch, Januar 2021